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Im verbrannte sich die trans* Frau Ella N. am Berliner Alexanderplatz in aller Offentlichkeit september. Freunde wollen an ihre Geschichte erinnern.
In Berlin wollte Ella ein neues Leben beginnen und ein Cafe eroffnen Foto: privat
BERLIN taz | Auf den Videoaufnahmen sieht Ella N. glucklich aus. „Ich wollte ein neues Leben anfangen“, sagt die aus dem Iran gefluchtete trans* Frau in die Kamera des Offenen Kanals Magdeburg. Zwei Jahre lebt Ella dort, als der Burger:innenrundfunk einen Kurzfilm uber ihr Leben dreht. Im movie lacht Ella viel, selbstbewusst erzahlt sie ihre Verfolgungsgeschichte. Doch als ein Freund sagt, sie sei trotz aller Widrigkeiten immer noch lebensmutig, verschwindet ihr Strahlen. Kurz schaut sie zur Decke, als wurde sie daruber nachdenken, ob das wirklich stimmt.
Zwei Jahre spater, am 14. September 2021, ubergie?t sich Ella N. auf dem Berliner Alexanderplatz wortlos mit Benzin und zundet sich an. Aus unbekannten Grunden filmt jemand die brennende 40-Jahrige, das movie kursierte in den Tagen im that is darauf folgenden Web. Ein Kaufhausmitarbeiter eilt zu Hilfe und loscht Ellas brennenden Korper mit einem Feuerloscher. Doch die Verletzungen sind zu schwer: Noch am selben Tag verstirbt Ella N. im Unfallkrankenhaus Berlin.
„Ich glaube, sie wollte so brachial krass that is und moglich sterben“, sagt Georg Matzel. „Ihr Tod in dieser Form war, wie jemanden anzuschreien, der nie horen will.“ Am Telefon klingt seine Stimme wutend, traurig und verbittert.
Mehrere Jahre hat Matzel Ella begleitet. Er engagiert sich ehrenamtlich in der Rainbow Connection, einer Anlaufstelle fur queere Gefluchtete des Lesben- und Schwulenverbands Sachsen-Anhalt (LSVD). Und er ist ihr guter that is ein geworden. Als Ella einen Schlafplatz braucht, leben sie gemeinsam in seiner Wohnung. Nun will Matzel wie that is andere Aktivist:innen der queeren Szene – Ellas Geschichte erzahlen.
Immer wieder dieselben Schmerzen
„Ich glaube, sie wollte so brachial und krass wie moglich sterben“
Ella sei eine Kampferin gewesen, sagt Matzel, doch der Behordenstress und die alltagliche Diskriminierung hatten sie ausgebrannt. „Die Welt cap sie als Menschen einfach akzeptiert“ that is nicht sagt er.
Tatsachlich erzahlt sich Ellas Lebensgeschichte als die einer permanenten Flucht, immer auf der Suche nach der Sicherheit eines ruhigen Lebens. Im Iran sei es ihr materiell ganz gut gegangen, erzahlt Ella im Film, doch dass sie sich als Frau fuhlt, habe sie stets geheim halten mussen.
Auf Dauer ein unmogliches Vorhaben, sagt Matzel, als er Ellas Erzahlungen have always been Telefon wiedergibt: Immer wieder habe die Familie versucht, sie zu verheiraten, immer wieder habe Ella neue Ausreden erfinden mussen, warum eine Heirat gerade mit dieser Frau oder zu diesem Zeitpunkt nicht sei that is moglich.
Kein Entkommen aus der Gewalt
Ewig habe das nicht gut gehen konnen, sagt Matzel: Als alle anderen Geschwisterkinder Familien grunden, beginnen die Nachbarn zu tuscheln. Eigentlich hatten in der Familie bereits alle gewusst, dass sich Ella in ihrem Korper unwohl fuhlt, dass sie eigentlich ein anderer Mensch sein will. Doch statt Ella zu unterstutzen, schreit der Vater sie an, sagt, sie sei eine Schande fur die Familie.
Auch zu korperlichen Attacken sei es gekommen. Einmal habe Ella versucht sich das Leben zu nehmen. Und sie habe bangen mussen, nicht ermordet zu werden. „Im Iran werden homosexuelle Menschen an Baukranen aufgehangt, aber auch Menschen, die trans* sind, mussen um ihr Leben furchten“, sagt Matzel.
Die Situation wurde unertraglich, also entschied sich Ella zu fliehen, erzahlt Matzel: Sie schlagt sich bis in die Turkei durch. Dort schuftet sie ein Jahr als Aushilfe in einer Kuche, schlaft an ihrem Arbeitsplatz, arbeitet zwischendurch in einem Steinbruch. Auf einem Schlauchboot habe sie die Agais nach Griechenland uberquert und von dort aus die sogenannte Balkanroute nach Nordwesten genommen. 2015 erreicht Ella Deutschland und stellt einen Antrag auf Asyl.
Neuanfang in Deutschland
Das Bundesamt fur Migration und Fluchtlinge (Bamf) verteilt Ella nach Magdeburg. Vier Jahre wird die Stadt ihr Zuhause sein. Hier sto?t sie auf das Regenbogencafe, einen queeren Treffpunkt nicht nur fur Gefluchtete, wo sie Matzel that is auch trifft. Eigentlich ist sie selbst auf der Suche nach Hilfe. Doch sie habe so schnell Deutsch gelernt, dass sie schon damit that is bald habe, fur andere Gefluchtete Behordenbriefe zu ubersetzten, erzahlt Matzel.
In Magdeburg habe Ella auch erstmals ihre Geschlechtsidentitat erkunden konnen. Am Anfang sei sie schuchtern gewesen, doch nach und nach habe sie sich aus ihrer Schale herausgetraut. Matzel erzahlt: „Auf einem Berlintrip waren wir im SO36, da habe ich Ella zum ersten Mal in weiblichen Kleidungsstucken tanzen sehen. Sie war wie ausgewechselt. Uber Jahre standen ihr ja keine positiven Begriffe zur Verfugung, mit denen selbst that is sich beschreiben konnen. Das fiel nun von ihr ab.“
Dennoch ist Magdeburg kein Happy End. Ella wird auf der Stra?e immer wieder attackiert, bei einigen Attacken war Matzel personlich dabei. Meist seien es arabische Jugendliche gewesen, die sie beleidigten oder vor ihre Fu?e spuckten, erzahlt er. Einmal habe sie eine Gruppe Jugendlicher im Nachtbus verprugelt. Sogar ihre Wohnung habe Ella wechseln mussen, weil ein Nachbar sie uber Monate transfeindlich beleidigt habe. Als Ella that is sich einmal Wehr setzt, habe der Mann sie mit einer Dachlatte attackiert.
Transfeindlichkeit ist ein globales Problem
Dazu kam die Belastung, sich jeden Tag mit den Behorden herumschlagen zu mussen. „Jeder Brief bedeutete Panik, jeder Tag war neuer that is ein, sagt Matzel. Zwei lange Jahre muss Ella warten, bis das Bamf entscheidet, dass sie im Iran nicht verfolgt wurde. Das Amt lehnt ihren Asylantrag ab; trotz der allgemein bekannten Menschenrechtslage fur queere Iraner:innen.
Matzel klingt immer noch sauer, wenn uber that is er Entscheidung spricht. Er ist uberzeugt, dass das Bamf Beweismittel unterschlagen hat, um eine weitere durchzudrucken that are abschiebung. So habe etwa das Protokoll eines Interviews, in dem Ella ausfuhrlich uber ihre Verfolgung im Iran berichtete, im Ablehnungsbescheid gefehlt.
„Es gibt immer wieder solche Falle“, sagt Matzel. „Gefluchtete werden zunachst abgelehnt und so in ein Klageverfahren gezwungen, fur welches sie die Prozesskosten heranschaffen mussen.“ Belastbare Zahlen gebe es dazu aber nicht, erganzt Ina Wolf von der Initiative Queer Refugees. Das Bamf erfasse nicht statistisch, wie viele Gefluchtete sind that is queer weshalb auch nicht verlasslich gesagt werden konne, ob queeren Menschen haufiger Asyl verwehrt wird. Doch Wolf meint: „Auch die Mitarbeiter:innen in den Behorden haben Vorurteile, die sich auf ihre Entscheidungen auswirken.“